Barschel-Affäre

Barschel-Affäre
Barschel-Affäre
 
Am 12. September 1987, einen Tag vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, meldeten Hörfunk und Fernsehen, dass das Hamburger Magazin »Der Spiegel« am Montag seinen Lesern eine schier unglaubliche Geschichte präsentieren werde: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel habe im Zusammenhang mit dem Wahlkampf seinen Medienreferenten Reiner Pfeiffer beauftragt, gegen den Oppositionsführer und SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm eine anonyme Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung zu stellen, Engholm durch ein Detektivbüro bespitzeln zu lassen, eine »Wanze« in Barschels Diensttelefon einbauen zu lassen, um dies dann der SPD und Engholm anzulasten, sowie die »Unabhängige Wählergemeinschaft Schleswig-Holsteins« durch eine Zersetzungskampagne zu schwächen - so die Vorwürfe Pfeiffers gegenüber dem »Spiegel«. Die Landtagswahl am 13. September brachte der CDU mit 33 Mandaten den Verlust der absoluten Mehrheit, der zur Koalition mit der CDU bereiten FDP vier Sitze, der SPD 36 Sitze und dem Südschleswigschen Wählerverband ein Mandat, sodass ein parlamentarisches Patt entstand.
 
Nach anfänglicher Beteuerung Barschels, dass die Anschuldigungen »erstunken und erlogen« seien, sprachen die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses und der staatsanwaltlichen Ermittlung gegen ihn. Am 25. September 1988 übernahm Barschel die politische Verantwortung und trat am 2. Oktober als Ministerpräsident zurück.
 
Am 11. Oktober fanden Journalisten des »Stern« die Leiche von Uwe Barschel in einem Genfer Hotelzimmer. Die schweizerischen Justizbehörden erklärten, es handele sich um Selbstmord, und blieben auch dann bei dieser Feststellung, als die Familie des Toten angesichts der mysteriösen Umstände von Mord sprach. Die genauen Umstände sind bis heute nicht geklärt.
 
In seinem am 5. Februar 1988 erstatteten Abschlussbericht stellte der Untersuchungsausschuss des Kieler Landtags u. a. fest, »dass Teile der Staatskanzlei und der Pressestelle der Landesregierung. .. widerrechtlich zur Wahlkampfführung für den CDU-Spitzenkandidaten missbraucht« wurden. Er lobte die »Wachsamkeit der kritischen Presse« und schlug eine Reihe von Änderungen der Landesverfassung vor.
 
Erst sehr viel später räumte Björn Engholm als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein ein, dass er von dem Skandal früher gewusst habe als anfänglich zugegeben. Er trat am 3. Mai 1993 als Ministerpräsident und Bundesvorsitzender der SPD zurück.
 
In der Öffentlichkeit der Bundesrepublik löste die Barschel-Affäre große Betroffenheit aus und führte zu der Frage, welche wirksamen Hindernisse der demokratische Staat dem ungezügelten Machtstreben einzelner und ihrer ergebenen Helfer entgegenstellen kann.

Universal-Lexikon. 2012.

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